Das bedingungslose Grundeinkommen und die Klimakrise

Unsere Zeit ist von Krisen geprägt und grundsätzlich läuft in der Welt aktuell vieles schief. Die neoliberale, kapitalistische Wirtschaft nimmt kaum Rücksicht; weder auf uns Menschen, noch auf unsere Lebensgrundlagen. Um das Verhältnis zwischen Mensch und Wirtschaft neu zu gestalten, gibt es einen immer wieder diskutierten Lösungsansatz: das bedingungslose Grundeinkommen.

Two possible Futures by Joana Campinas for ArtistsForClimate.org

Ein bedingungsloses Grundeinkommen (bGE, engl. UBI) hat eine Existenzsicherung für alle zum Ziel. So soll das Menschenrecht auf ein Leben in Würde und Selbstbestimmung garantiert und das menschliche Leben auch ausserhalb des entlohnten Wirtschaftens wertgeschätzt und ermöglicht werden. Diese Form der gesamtgesellschaftlich getragenen sozialen Absicherung würde einen grundlegenden Wandel in unserem System ermöglichen.

Ein klimagerechtes Grundeinkommen

Finanzielle Sicherheit für alle ermöglicht ein Leben, welches weniger von Abhängigkeiten geprägt ist und dadurch selbstbestimmter gestaltet werden kann. Wenn der Fokus bei beruflichen Entscheidungen nicht mehr so stark auf einem gesicherten Einkommen liegt, rücken andere Fragen in den Vordergrund: Will ich das tun? Diene ich damit der Gesellschaft? Unterstützt meine Tätigkeit die Zerstörung der Erde?

Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen wird niemensch durch finanzielle Abhängigkeiten dazu genötigt, (fossile) Wirtschaftszweige zu unterstützen, die unsere Welt zerstören. Klar, die betroffenen Unternehmen werden alles daran setzen, ihre Jobs möglichst gut zu verkaufen, und werden auch andere Wege finden, um Menschen auszubeuten. Trotzdem wird die Abhängigkeit der Arbeitenden bedeutend reduziert, wenn die finanzielle Existenzsicherung anderweitig garantiert ist. Zudem wird mensch dank des bGE für geleistete Care-Arbeit nicht mehr durch eine fehlende finanzielle Sicherheit bestraft.

In einer Krise wird die Widerstandskraft einer Gesellschaft auf die Probe gestellt. Diese Resilienz wird in der heutigen Zeit immer wichtiger; die Corona-Krise und der russische Angriffskrieg in der Ukraine haben gezeigt, wie verletzlich unsere Wirtschaft und Gesellschaft ist – und das Menschen in prekären Anstellungsverhältnissen die Auswirkungen als erste zu spüren kriegen. Mit den Folgen des Klimawandels und dessen weitreichenden sozial-ökonomischen Auswirkungen, werden Krisen – in unterschiedlichsten Formen – immer mehr zu unserer Alltagsrealität. In der Reaktion auf diese Krisen sind natürlich viele Faktoren ausschlaggebend für die Resilienz unserer Gesellschaft. Mit der finanziellen Absicherung durch ein bGE können wir jedoch unmittelbare, oftmals einschneidende Auswirkungen auf das Leben von Menschen abfedern und verhindern.  

Weniger Hürden für Netto 0 bis 2030

Mit einem bGE ist Klimaschutz, sowohl in Form von politischem Engagement als auch durch individuelle Anpassungen, für alle zugänglich. Es haben nicht mehr nur privilegierte Menschen die Möglichkeit, Lebenszeit, Energie und vielleicht auch Geld in klimagerechtes und nachhaltiges Leben zu investieren. Eine Beteiligung sämtlicher Gesellschaftsschichten ist für die rasche Transformation unserer Gesellschaft enorm wichtig, wenn wir in Zukunft in einer besseren und gerechteren Welt leben wollen Die Existenzsicherung durch ein bedingungsloses Grundeinkommen würde es einem grossen Teil der Gesellschaft ermöglichen, sich aus den klimaschädlichen Strukturen des Alltages zu lösen. So haben sie mehr Zeit, klimafreundlich zu leben oder sich kollektiv zu organisieren, um eine neuen, nachhaltigen Alltag zu ermöglichen – abseits von fossiler Abhängigkeit.

Ein rascher Ausstieg aus fossilen Energien ist unumgänglich, bietet aber auch einige Hürden. So ist es eine traurige Realität, dass zur Zeit das Einkommen vieler Menschen von zerstörerischen Wirtschaftszweigen abhängt. Wenn Kohleminen schliessen, die Flugbranche schrumpft und kein Erdöl mehr raffiniert wird, verlieren viele Menschen ihren Job – und dadurch ihre Existenzsicherung. Um diesen Menschen den Ausstieg zu erleichtern, braucht es Umschulungs-Programme und Massnahmen zur finanziellen Absicherung. An diesem Punkt kommt das Grundeinkommen ins Spiel. Wenn das Einkommen nicht nur vom Arbeitsplatz abhängt, greift dessen Verlust nicht die grundsätzliche Existenz der Betroffenen an.

System Change

Das bedingungslose Grundeinkommen wird auf keinen Fall alle unsere Probleme auf einen Schlag lösen. An vielen Punkten greift der Fokus auf die finanzielle Absicherung zu kurz, und ein schlecht gestaltetes bGE kann sogar dazu führen, dass andere Formen der sozialen Absicherung vernachlässigt werden.

Der grosse Vorteil eines bGE liegt jedoch in der transformativen Kraft, die es mit sich bringt. Menschen haben mehr Freiheit, eine grössere Handlungsmacht und mehr Zeit. Wenn diese Ressourcen (auch nur teilweise) in die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft investiert werden, hat dies eine enorme Wirkung. Soziale Bewegungen werden durch ein Grundeinkommen nicht überflüssig, sondern werden in ihrem Handeln gestärkt.  

Und nebenbei: Nein, ein Grundeinkommen macht nicht faul. Und ja, ein Grundeinkommen ist finanzierbar.  

Zur Zeit läuft die Unterschriftensammlung der eidgenössischen Initiative “Leben in Würde – Für ein finanzierbares bedingungsloses Grundeinkommen”. Noch bis Ende Februar 2023 können Unterschriften gesammelt werden. Aktuell droht die Unterschriftensammlung jedoch zu scheitern. Es fehlen noch knapp 50’000 Unterschriften – und die Zeit wird immer knapper. Deswegen ist es umso wichtiger, jetzt die Initiative zu unterzeichnen, damit  die Schweiz über ein gerecht gestaltetes Grundeinkommen diskutiert und entscheidet.